Niemals fremde Pferde füttern!

Es halten sich seit Jahrzehnten hartnäckige, fast schon “traditionell” anmutende Annahmen, dass Pferde auf der Weide ruhig mit Mitgebrachtem gefüttert werden dürfen. Man tue ihnen schließlich etwas Gutes und die Kinder haben so eine große Freude daran.

Bitte distanzieren Sie sich von dieser Annahme und erklären Sie bitte auch Ihren Kindern, warum es keine gute Idee ist, fremde Pferde auf der Weide mit Lebensmitteln anzulocken und zu füttern.

Ich gebe Ihnen hier gern ein paar Punkte an die Hand:

⛔️ Pferde haben (leider) ein sehr empfindliches, kompliziert aufgebautes Magen-Darm-System, das leicht aus den Fugen geraten kann. Heftige Bauchschmerzen, beim Pferd als “Kolik” bezeichnet, führen in nicht seltenen Fällen trotz der Behandlung durch einen Tierarzt zum Tode bzw. Einschläfern des Tieres. Die Kolik ist ein absoluter Notfall und kann durchaus durch das Füttern ungeeigneter Futtermittel hervorgerufen werden. Viele weitere, extrem schmerzhafte Erkrankungen werden beim Pferd durch falsche Fütterung ausgelöst!

✅ Gut funktioniert das Magen-Darm-System eines Pferdes, wenn immer ausreichend kräuterreiches Gras auf einer Wiese zur Verfügung steht. Da es im Winter weniger Gras gibt, werden Pferde und Ponies im Winter mit getrocknetem Gras (Heu) versorgt, das dieselben guten Eigenschaften auf den Bauch des Pferdes hat wie Gras. Bei bestimmten Erkrankungen dürfen einige Pferde und Ponies niemals oder nur stundenweise Gras fressen und bekommen daher auch im Sommer Heu gefüttert.

Heu und kräuterreiches Gras sind die Grundfuttermittel von Pferden. Sie können sich also sicher sein, dass alle Pferde, die Sie auf Wiesen oder graslosen Ausläufen mit Heu entdecken, ausreichend mit Futter versorgt sind, ihr Magen-Darm-Trakt entsprechend gut arbeiten kann und keinerlei Zufüttern von Ihrer Seite aus nötig ist.

⛔️ “Ach, so ein paar kleine Äpfel werden den Ponies doch wohl nicht schaden!” werden Sie nun vielleicht anregen. Mag sein, dass zwei Äpfel (zusätzlich zu dem, was der unwissende Pferde-Eigentümer dann an dem Tag noch füttert) den Kohl nicht fett machen bzw. das Pferd nicht zum koliken bringen. Aber: Sie sind vielleicht nicht die einzige Familie, die heute mit dem Brotbeutel an der Weide vorbeischlendert. Es kann also durchaus sein, dass die Ponies doch eine größere Menge an für sie ungeeigneten Lebensmitteln aufnehmen, wenn zwölf Pferdeliebhaber den sonnigen Sonntag über verteilt vorbeikommen — oder es sich im Extremfall herumspricht, dass an dieser Weide immer die Ponies gefüttert werden können.

✅ Wenn Sie und Ihre Kinder nun bepackt mit “Pferdefutter” an der Weide ankommen und nun (hoffentlich) bemerken, dass das Verfüttern vielleicht doch keine so gute Idee ist, deponieren Sie Ihr Mitgebrachtes doch gut sichtbar vor der Weide außerhalb der Reichweite der Pferde. Der Pferdebesitzer kann später selbst entscheiden, ob er die Spende an seine Tiere verfüttern möchte, an einen anderen befreundeten Pferdehalter abgibt, oder lieber auf dem Misthaufen entsorgt. So müssen Sie nicht wieder etwas zurück nach Hause schleppen, was Sie eigentlich gut gemeint loswerden wollten. Einige Pferde-Eigentümer stellen eigens dafür vorgesehene “Futterkisten” auf, in welche Sie die Lebensmittel pferde- und witterungsgeschützt verstauen können.

⛔️ Pferde sind Herdentiere und dringend darauf angewiesen, mit Artgenossen zusammenzuleben. Daher ist es auch vom Gesetz her verboten, Pferde einzeln zu halten. Damit das Zusammenleben in der Herde gut funktioniert, entwickelt sich eine Rangordnung unter den Tieren. Das bedeutet, dass es meist einen Anführer gibt, der z.B. immer zuerst trinken oder fressen darf. Die anderen Herdenmitglieder ordnen sich unter, wobei es immer rangniedrige und ranghohe Pferde gibt. Die Rangordnung wird vor allem dadurch festgelegt, dass ein Pferd ein anderes Pferd von einer Stelle (z.B. Futter, Trinken) verjagen darf. Stehen Sie mit Ihrem Kind am Koppelzaun und rascheln mit der Möhren-Tüte, locken Sie höchstwahrscheinlich alle Pferde an und verursachen so eine stressige, enge Situation — einen regelrechten Kampf um’s Futter direkt vor Ihrer Nase. Es kann dabei zu bösen Verletzungen der Pferde untereinander durch Bisse oder Schläge kommen, der Zaun kann durch herumfliegende Pferdehufe beschädigt werden oder es gerät gar die Kinderhand zwischen die Fronten.

✅ Stellen Sie sich einfach mit Ihrem Kind / Ihren Kindern mit etwas Abstand an die Weide und genießen Sie die Aussicht auf entspannte, grasende, sich frei bewegende Pferde. Bleiben Sie eine Zeit lang stehen und beobachten Sie die Tiere, wie sie sich gegenseitig die Mähne kraulen, Fliegen mit dem Schweif verjagen oder sich gemeinsam zu einem Mittagsschläfchen in die Sonne legen. Vielleicht können Sie sogar anhand der Beobachtungen herausfinden, wer wohl der Chef ist? So scheuchen Sie die Herde nicht unnötig auf und können doch dabei sein. Vielleicht erwischen Sie ja auch die Pferdebesitzer vor Ort. Sprechen Sie sie an, stellen Sie Fragen (die vielleicht auch Ihre Kinder beschäftigen) und lernen Sie dazu. Viele Pferde-Eigentümer erzählen liebend gern von Ihren Tieren, von ihren Eigenarten und Besonderheiten.

Zutrauliche Ponies, die vergnügt an den Zaun gelaufen kommen, wenn Sie mit ihren fröhlich lachenden Kindern näherkommen, lassen jedes Elternherz höher schlagen. Das ist verständlich. Und es liegt in der Natur eines jeden Menschen, das Vertrauen und die Zugewandheit dieser Tiere mit dem zu belohnen, was den Tieren die allergrößte Freude bereitet: Nahrung. Nur so ist es dem Menschen vor mehreren tausend Jahren gelungen, Wildtiere zu zähmen und zu domestizieren. Dieser “Drang”, dem gegenüberstehendem Wesen ein Stück Lebensmittel ins Maul zu schieben oder vor die Hufe zu werfen, um damit das Vertrauen und die Kooperationsbereitschaft des Individuums zu erlangen, ist bis heute ungebrochen.

Und doch trägt dieses Verhalten — meist aus Unwissenheit — immer wieder zu einem unglaublichen Tierleid bei. Deshalb: Füttern Sie niemals fremde Pferde. Niemals!

Ein letzter Hinweis: Juristisch gesehen stellt das Füttern fremder Pferde einen rechtswidrigen Eingriff in das Eigentum des Pferdebesitzers dar. Dazu gibt es bereits ein Grundsatzurteil des OLG Karlsruhe vom 17.01.2008 (12U 73/07).