Die Unterstützung des Immunsystems

Die zweite Winterhälfte dem Immunsystem widmen — und für die Pollensaison gewappnet sein!

Natürlich sehnen wir den Frühling herbei, spätestens jetzt nach der ersten Winterhälfte — im Sinne des atemwegsempfindlichen Pferdes sollten wir uns jedoch über jeden weiteren knackig-kalten Wintertag freuen. Kälte, Schnee und relativ wenig Sonnenlicht weisen vorwitzige Knospen und Blüten in ihre Schranken und bewahren uns vor einem frühzeitigen Pollenflug-Start.

Aggressive Pollen

Der menschengemachte Klimawandel und der damit verbundene Temperaturanstieg sorgen dafür, dass Pflanzen nicht nur schon eher als gewohnt ausschlagen und somit über das gesamte Jahr gesehen länger ihre Pollen verbreiten, sondern mittlerweile wohl in der Lage sind, deutlich aggressivere Pollen zu produzieren. Diese reagieren nicht mehr so empfindlich auf Boden- oder Luftschadstoffe oder einen Nährstoffmangel (z.B. in Großstädten) und sind abgehärteter. Diese Weiterentwicklung ist eine Folge der Luftverschmutzung durch Feinstaub und Ozon. Möglicherweise nimmt damit die Menge bzw. Stärke der Pollen-Allergene zu, was sich auch an den Reaktionen atemwegsempfindlicher Pferde ablesen lassen könnte. Birkenpollen zum Beispiel wirken um das zwei- bis dreifache aggressiver, wenn sie mit Ozon (O3) chemisch reagieren.

Müdes Immunsystem


Werden diese Pollen in ausreichenden Konzentrationen von einem sensiblen, vorbelasteten Pferd eingeatmet, löst dies eine allergische Reaktion aus, bei der Histamin freigesetzt wird. Ein zu hoher Histamingehalt im Körper ist wiederum der Auslöser für die unterschiedlichen Symptome — beim Pferd zu beobachten sind insbesondere Nasenausfluss, häufiges Schnauben, tränende bzw. leicht verkrustete Augen, trockener oder auch produktiver Husten bis hin zu einer stark angestrengten Atmung mit Verkrampfung und Schwellung der Bronchialschleimhaut (Asthmaanfall).

Eine Atopie, also die allergische Reaktionsbereitschaft eines Individuums, ist genetisch bedingt und vererbbar. Sie ist aber direkt mit dem Immunsystem in Zusammenhang zu bringen, da die allergischen Prozesse genau dort in Gang gebracht werden und ablaufen.

Denn: Die gefürchteten allergischen Reaktionen während oder insbesondere zum Start der Pollenflug-Saison beruhen unter anderem auf einem nicht gut aufgestellten Abwehrsystem.

Das Immunsystem des Pferdes ist insbesondere zum Ende der zweiten Winterhälfte müde und ausgezehrt, verschiedene Mineralstoffspeicher können — insbesondere bei älteren Pferden — aufgebraucht und leer sein. Der Stoffwechsel muss dennoch durch den nun auch sichtbar einsetzenden Fellwechsel auf Hochtouren arbeiten.

Schlechte Heuqualitäten belasten

Pferde werden im Winter saisonal bedingt durch Raufutter wie Heu ernährt.

Der Keimgehalt des gelagerten Heus wird zum Ende der Wintersaison jedoch immer höher. Je nach Lagerung und Standort nimmt insbesondere der Feuchtigkeitsgehalt in den Heuballen und damit als Konsequenz die Keimbelastung zu. Diese verfütterten Keime (Bakterien, (Schimmel-)Pilze und deren Stoffwechselprodukte (Endotoxine) sowie Hefen) belasten zwar im besonders hohen Maße zunächst die Atemwegsschleimhäute, wirken sich aber letztendlich äußerst negativ auf den gesamten Organismus aus. Wichtige Organsysteme wie Leber, Niere und Darm können durch die Keimzahl überlasten, was sich sehr schnell auch auf das Immunsystem ausweitet.

Spätestens jetzt ist es an der Zeit, das Immunsystem des Pferdes optimal auf die Pollensaison vorzubereiten. Dieses ist derzeit ohnehin schon mit dem Fellwechsel gut ausgelastet und benötigt daher keine weiteren “Baustellen”.

Ein intaktes und gut funktionierendes Immunsystem benötigt:

1. Eine vitamin- und nährstoffreiche Ernährung und eine gesunde Darmflora

Wir haben die Möglichkeit, unsere Pferde durch gezielte Fütterung bestmöglich zu unterstützen und damit die Arbeit des Immunsystems positiv zu beeinflussen.

Wichtige Nährstoffe für das Immunsystem — aber mit Plan!

Die Darmgesundheit des Pferdes spielt im Zusammenhang mit der Unterstützung des Immunsystems eine zentrale Rolle. Mehr als zwei Drittel aller vom Immunsystem gebildeten Abwehrzellen sind im Darm angesiedelt. Damit diese Millionen kleinster Mikroorganismen es schaffen, die Darmflora und damit das Immunsystem intakt zu halten, ist das Pferd insbesondere auf die stetige, langsame Zufuhr von Rohfaser angewiesen. Rohfaser ist z.B. in gutem Pferdeheu vorhanden, welches daher dem Pferd im Winterhalbjahr nahezu ununterbrochen in absolut hochqualitativer Qualität zur Verfügung stehen sollte. Heu liefert nahezu alle weiteren lebensnotwendigen Makro- und Mikronährstoffe, je nach Herkunft und Witterungsbedingungen während des Aufwuchses und zum Erntezeitpunkt. Wer es ganz genau wissen möchte, kann ohne viel Aufwand eine Heuanalyse anfertigen lassen. Bei dieser ist es auch möglich, die Qualität des Raufutters durch die Bestimmung der Keimbelastung zu überprüfen.

Bei einer eher schlechten Heuqualität kann die sogenannte “ad-libitum”-Heufütterung — also die unrationierte Fütterung — aus meiner Sicht mehr schaden als nutzen. Es sollte eine Überlegung wert sein, spätestens jetzt bis zum Weidestart zumindest partiell auf Heuersatzprodukte umzusteigen.

Bei der gezielten Supplementierung von Mikronährstoffen ist es äußerst sinnvoll, vorher die aktuelle Versorgungslage des Pferde-Organimus bestimmen zu lassen. Neben einer Blutuntersuchung bietet sich gerade im Zusammenhang mit der Beurteilung der Langzeitversorgung auch eine Haarmineralanalyse an. 

Um das Pferd und seinen Stoffwechsel nicht zusätzlich mit einer Überversorgung von schnell toxisch wirkenden Stoffen zu stressen (z.B. Selen oder die fettlöslichen Vitamine), empfehle ich eine Fütterung von rein natürlichen Zusätzen. So wird gegebenenfalls ein Überschuss an bestimmten Nährstoffen bestenfalls wieder über die Nieren ausgeschieden. Bei synthetisch hergestellten Supplementierungen funktioniert diese Regulierung unter Umständen nicht bzw. nicht ausreichend. Synthetische Futterzusätze stehen im Verdacht, sich ggf. im Körper anzureichern bzw. die Entgiftungsorgane Leber und Niere und damit den gesamten Stoffwechsel unnötig zu belasten.

Man kann das Immunsystem des Pferdes zum Beispiel mit folgenden Nährstoffen sinnvoll unterstützen:

Vitamin C

Aktuell — jetzt im Januar — ist das Wildkräuter-Angebot natürlich relativ rar, insbesondere, wenn Schnee liegt und / oder Frost herrscht. Mit Glück kann man aber die sehr Vitamin C-haltige und hochverfügbare Vogelmiere finden und seinem Pferd anbieten. Beim Ernten dieses Wildkrauts (z.B. auf Wald-Lichtungen) achtet man immer darauf, nicht die gesamte Pflanze samt Wurzel zu ernten, sondern nur einige Zweige. Es muss immer genug Pflanzenmaterial zum Nachwachsen und für Wildtiere übrig bleiben, die sich ebenfalls gern an diesem Winter-Vitaminbooster bedienen.

Insbesondere Hagebutten, aber auch Sanddornfrüchte enthalten ebenfalls sehr viel Vitamin C und können dem Pferd angeboten werden. Dabei muss man davon ausgehen, dass frisch gepflückte Hagebutten deutlich mehr Vitamin C enthalten als (maschinell) getrocknete. Vitamin C ist nicht sehr hitzebeständig und auch bei der Lagerung von Hagebutten bzw. Sanddornfrüchten geht ein großer Teil des Vitamins verloren. Nichtsdestotrotz ist das Verfüttern getrockneter Früchte sinnvoller als gar keine Wildfrüchte anzubieten.

Zink

Der Mikronährstoff Zink spielt neben anderen Schauplätzen auch im Immunsystem eine wichtige Rolle. Die Anfälligkeit für Infekte wird durch eine regelmäßige Einnahme von (bioverfügbaren) Zink verringert. Studien bei Menschen wiesen nach, dass eine regelmäßige Zink-Aufnahme das Erkältungsrisiko absenkt und weniger häufig ein Antibiotikum verschrieben werden muss. Es wurde außerdem festgestellt, dass Menschen, die zu allergischen Reaktionen neigen, häufig einen Zinkmangel aufweisen.

Natürliche Zinkquellen für das Pferd als reiner Pflanzenfresser stellen z.B. Kürbiskerne oder ungeschälte Leinsamen dar. Sie können bereits ab der Wintersonnenwende, die den Fellwechsel von Winter- auf Sommerfell einläutet, bis zum frühen Sommer verfüttert werden.

Kräuter

Einige Kräuter können das Immunsystem ebenfalls positiv beeinflussen. Sie werden meist als getrocknete Kräutermischungen (Tee) oder auch als Kräutersaft angeboten:


Schwäbische Alb-Mischung

Immunobene

Wildbeeren

Zistrose


Zistrose

Ein Beispielkraut für das Immunsystem ist Cistus incanus, ein buschartiges Gewächs aus dem Mittelmeerraum, welches dort bereits seit vielen Jahrhunderten als traditionelle Heilpflanze in unterschiedlichen Bereichen Anwendung findet. Vor allem die vielen enthaltenen sekundären Pflanzenstoffe (die sogenannte Polyphenole) sollen sich positiv auf verschiedene Leiden auswirken. Unter anderem werden der Pflanze antivirale, antimikrobielle und entzündungshemmende Eigenschaften nachgesagt, wodurch sie das Immunsystem unterstützen soll.

Das Thema Vitamin D

In der Humanmedizin hat sich aufgrund der Auswertung von wissenschaftlichen Studien die Annahme erhärtet, dass ein ausreichend hoher Vitamin-D-Spiegel Infektions- und Autoimmunerkrankungen entgegenwirkt und einen immunmodulierenden Einfluss hat. Damit wird das Immunsystem in seiner normalen Funktion gestärkt und überschießende Entzündungsreaktionen, wie sie bei allergischen Geschehen zu beobachten sind, werden gelindert. Insbesondere bei Heuschnupfen, allergischem Asthma sowie bei Neurodermitis kann eine ausreichende Vitamin-D-Zufuhr die Symptomatiken spürbar verbessern, Medikamente können reduziert werden. Studien weisen außerdem darauf hin, dass chronisch atemwegserkankte Menschen (z.B. Asthmatiker) häufig einen ausgeprägten Vitamin-D-Mangel aufweisen — nicht nur im Winterhalbjahr.

Ob diese Beobachtung eins zu eins auf chronisch kranke Pferde übertragbar ist, bleibt fraglich. Gängiger Fachliteratur zur Folge soll es kaum möglich sein, einen Vitamin-D-Mangel beim Pferd zu erzeugen, da sowohl gutes und sonnengetrocknetes Heu ausreichend Vitamin D enthält als auch der Pferdeorganismus selbst im Sommer mit Hilfe der UV-Strahlung Vitamin D über die Haut bilden und seine Speicher auffüllen kann. Eine Überprüfung des Vitamin-D-Spiegels im Blut kann Klarheit darüber schaffen, ob das eigene Pferd — auch je nach Grunderkrankung — eine (möglichst natürliche) Substitution benötigt. Es gibt jedoch Uneinigkeit über die Festlegung von Referenzwerten. Nicht zuletzt müssen Leber und Niere unbelastet arbeiten können, um das Vitamin D für den Körper nutzbar zu synthetisieren. Unbeantwortet bleibt auch die Frage, ob bei älteren Tieren die produktive Vitamin-D-Synthese aus der UV-Strahlung ebenso nachlässt wie bei menschlichen Senioren.
Fakt bei Pferden ist, dass Vitamin D neben dem in engen Grenzen arbeitenden Calcium- und Phosphatstoffwechsel ebenfalls wichtige Rollen in vielen unterschiedlichen Stoffwechselvorgängen, u.a. auch bei der Infektabwehr spielt.

2. Ausreichende und regelmäßige Bewegung

Im Winter ist das Platzangebot in vielen Ställen meist deutlich geringer als im Sommer. Viele Pferde stehen im Winter in separaten Boxen und kommen deshalb witterungs- und tageslichtabhängig sowohl später raus als auch früher wieder rein in den Stall. Weitläufige Weiden werden für den Sommer geschont und stehen den Pferden im Winter häufig als Auslauffläche nicht zur Verfügung. In solch saisonal bedingten Fällen sinkt automatisch die tägliche freie Bewegungsdauer und -intensität des einzelnen Pferdes. Direkt oder indirekt davon abhängige Stoffwechsel- und Kreislauffunktionen, wie z.B. das Lymphsystem, fahren ebenfalls herunter und drosseln damit auch die Arbeitsrate des Immunsystems. So gelangen z.B. Abwehrzellen, die u.a. durch aktive Bewegung zu Körperstellen transportiert werden, bei häufigen Steh-Tagen nicht mehr zu ihren Zielorten. Angelaufene Beine, eine träge Verdauung und ein unausgeglichenes, gestresstes Pferd können die Folgen sein und das Immunsystem unnötig belasten. Auch die Lunge kann durch fehlende Bewegung nicht mehr ausreichend belüftet werden. Insbesondere bei bereits atemwegsauffälligen Pferden macht sich dieses Problem spätestens dann deutlich bemerkbar, wenn weitere Faktoren wie z.B. eine schlechte Heuqualität und der Beginn der Pollensaison das Fass zum Überlaufen bringen.

Daher ist mein Rat, das aufgestallte Pferd täglich bei Wind und Wetter mit Artgenossen auf eine geeignete Auslauffläche zu bringen — wenn auch nur für eine kurze Dauer. Kreislauf und Stoffwechsel kommen durch die kühle, frische Luft in Gang, die Durchblutung wird angeregt, die Gelenke geschmiert, die Lunge belüftet.

Als kurzfristige Überbrückung (z.B. bei Unwetter oder Glatteis) kann auch der Freilauf in der Halle o.ä. für Auslastung sorgen. Spaziergänge oder gemeinsames Joggen stellen eine schonende Alternative zum Reiten dar.

3. Genügend Schlaf und wenig Stress

Einen Großteil ihres Schlafbedürfnisses können Pferde — da sie Fluchttiere sind — aufgrund anatomischer Besonderheiten im Stehen stillen. Das gilt nicht nur für das entspannte Dösen, sondern sogar für Tiefschlafphasen. Diese sind bei Pferden sehr kurz — oft nur minutenlang — dafür verteilen sie sich über den gesamten Tag. Für den sehr wichtigen REM-Schlaf müssen sich Pferde jedoch definitiv ablegen. Während des REM-Schlafes laufen viele Regenerationsprozesse im Organismus ab und es findet eine körperliche und geistige Erholung statt. Ohne (ausreichenden und regelmäßigen) REM-Schlaf erkrankt der Pferdeorganismus irgendwann zwangsläufig. Auch das Immunsystem ist davon maßgeblich betroffen, denn die körpereigenen Abwehrzellen werden hauptsächlich während des hochqualitativen Schlafs gebildet.

Regelmäßiger bzw. lang anhaltender Stress, sei er physisch oder psychisch bedingt, führt zum Anstieg bestimmter Stresshormone im Blut, die die Aktivität und Produktivität des Immunsystems nachweislich drosseln. Kurze Stressphasen, z.B. akute Schmerzen nach einer Trittverletzung oder die vorübergehende Abwesenheit des besten Pferdekumpels, stellen dabei keine Gefahr dar. Viel ernster zu nehmen sind Dauerstress-Situationen, wie sie z.B. bei chronischen Schmerzen (Hufrehe, Arthrose) oder bei einer nicht passenden Herdenzusammensetzung vorkommen können. Dadurch sind die beiden Gebiete “Schlaf” und “Stress” auch im engen Zusammenhang zu sehen. Pferde, die nicht genügend Schlaf abbekommen und viel von anderen Herdenmitgliedern geschickt werden, entwickeln Dauerstress mit all seinen Folgen für ein geschwächtes Immunsystem.

Der Winter ist unter diesen Aspekten gesehen deutlich stressiger als der Sommer: Das nass-kalte, windige oder eisige Wetter lässt einige chronische Erkrankungen wie z.B. Arthrose schmerzhafter werden und fordert das Immunsystem eh schon auf vielen unterschiedlichen Ebenen; Untergründe sind meist nasser und zum Teil matschiger oder gar verschneit oder knubbelig gefroren und machen Bewegungen anstrengender und das Hinlegen unattraktiver.

Das weiter oben bereits erwähnte reduzierte Platzangebot führt häufig zu zusätzlichen Herdenstress, wenn sich Pferde auf kleineren Flächen nicht mehr ausreichend aus dem Weg gehen können. Dazu drückt Lichtmangel auf die Psyche.

Man sollte folglich gut beobachten, ob das eigene Pferd — je nach Haltungssystem — genügend Schlaf und möglichst wenig Stress abbekommt — und sich für bestimmte Schlafphasen auch wirklich hinlegt. Insbesondere bei “menschengemischten” Herdenhaltungen auf relativ kleinem Raum kann es sein, dass rangniedrige und ältere Tiere es regelrecht nicht wagen, sich hinzulegen. Viel Platz und eine weiche, trockene und saubere Einstreu können dazu einladen, dass sich ein Pferd regelmäßig ablegt, schläft und damit sein Immunsystem stabil hält. Im Zweifel macht es Sinn, den Pferden über Nacht eigene Rückzugsmöglichkeiten zu gewähren (z.B. separierte Schlaf- und Fressplätze mit Sicht- und Nasenkontakt zu Artgenossen), die insbesondere im Winter gern angenommen werden.